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Wolfgang Fassbender

Chili und Pastete: Jahresrückblick 2024 (Teil 1)

Von Krise jede Spur. Kaum ein Gastronom, der nicht klagt. Und viele haben ja recht. Manche auch durch eigenes Verschulden. Zu lange haben sich einige ausgeruht auf dem, was da war, nach der Pandemie die Preise bisweilen so drastisch erhöht, dass man in so manchem Zwei- oder Drei-Sterne-Restaurant von Paris heute günstiger speist als bei der vergleichbar bewerteten Konkurrenz. Die Stimmung ist zwar nicht günstig, wird es auch 2025 nicht sein, doch kreative Gastronomen zeigen, wie es gehen kann.

Le Bon Georges: Bistroküche, perfekt zelebriert

Le Bon Georges: Bistroküche, perfekt zelebriert

In Paris geht es zum Beispiel im Le Bon Georges, in einem Konzept, wie es in Deutschland nicht existiert. Bistroflair, also eine Mischung aus Nostalgie und Enge, die sich in der Bundesrepublik keiner traut. Andererseits sind Pastete, Kalbssteak und Baba au Rhum hier so präzise gearbeitet, dass man sich fragt, was denn noch fehlen soll zu einem Stern à la Michelin. Das Offenweinangebot ist sensationell, die Weinkarte so schwer und dick, dass die runden Tischchen in eine bedenkliche Schieflage geraten.

Zu den Restaurants, die mir in Erinnerung bleiben, gehören aber auch Schweizer Adressen. Das Doppelkonzept im neuen Zürcher Mandarin Oriental zum Beispiel, das italienische Gourmetküche (ein ganzes Huhn, am Tisch zelebriert) mit einem ausgearbeiteten Brasserie-Konzept verknüpft. Allein fürs Schokosoufflé würde ich noch mal hingehen.

Apropos Mandarin. Dort war ich auch bei meinem ersten von zwei Malaysia-Besuchen. Im Mandarin Kuala-Lumpur habe ich grossartige Dim Sum verzehrt; die chinesische Community in der Stadt ist gross, die kulinarische Authentizität beachtlich. Noch etwas spannender, wenngleich ein bisschen prätentiös war das, was man mir im Dewakan servierte, dem ersten Zwei-Sterne-Restaurant des Landes. Mein Artikel über das Küchenwunder Malaysias erscheint demnächst in der Süddeutschen Zeitung. Es hat mir übrigens so gut gefallen, dass ich im zweiten Halbjahr gleich n0ch mal hin bin – diesmal in den östlichen Teil, nach Borneo. Dschungelküche, Bananenwein, Street Food: genial!

Im Dewakan werden die Zutaten vor dem Essen erläutert.

Dazwischen musste ich nach Bhutan. Eine Abenteuerreise, beginnend in München, wo ich schnell noch das Restaurant Huber besucht habe (sterbewürdige Küche, unglaublich günstige Weinpreise – na also, es gibt doch noch Restaurants, die das eine oder andere anders machen …), mit Zwischenstation in Dehli und Ankunft am Flughafen Paro. In der NZZ habe ich über diesen Trip geschrieben, der in kulinarischer Hinsicht eine durchschlagende Erkenntnis brachte. Für Bhutans Delikatessen muss man gerüstet sein. Nicht finanziell, aber geschmacklich. Nie zuvor habe ich so scharf gegessen, jedenfalls dort, wo man sich nicht an die Ausländer angepasst und die Chili-Mengen der mündlich überlieferten Rezepte geachtelt hat. Schärfemittel habe ich nicht eingepackt, roten Reis indes als essbares Souvenir mitgenommen; den getrockneten Yak-Käse auch, selbst wenn ich ihn streng genommen für ungenießbar halte. Ein Erlebnis war der Besuch am Ende der Welt dennoch.

Erlebnisse gab es auch im Saarland. Für einen Kunden habe ich Anfang 2024 gleich drei Restaurants besucht, die alle ihren einzigartigen Stil haben. Bei Klaus Erfort servierte man wieder mal eine im besten Sinne klassische Küche auf einem Niveau, für das man drei Sterne geben kann, wenn die Küche einen guten Tag hat (hatte sie!). Unglaublich gern sitze ich in der Saarbrücker Villa. Ein paar hundert Meter weiter kochte Erforts ehemaliger Souschef keinen Deut schlechter, ebenfalls klassisch, aber mit einem ganz anderen Twist; das Esplanade ist auch des Service wegen eine Bank und könnte ebenfalls drei Sterne tragen. Schließlich Christian Bau in Perl-Nennig: mit Recht eines der besten Restaurants Europas.

Ein einzigartiges Konzept: das Coda.

Zu den richtig guten Reisezielen gehört natürlich auch Mallorca. Das Fera, luxuriös inmitten von Palma, hat einen hoch engagierten österreichischen Küchenchef und viel Potenzial. Noch lieber gehe ich allerdings ins Miceli in Silva, eines jener Inselmitte-Restaurants, in denen man lang im Voraus reservieren muss, um dann ein Menü nach Tageseinkauf serviert zu bekommen. Preiswert und puristisch, auch die Weine der Karte sind so kalkuliert, wie es in vielen Teilen Spaniens üblich ist: sehr knapp.  Sicherheitshalber steht meine Reservierung für den kommenden März schon, obwohl ich bislang keinen Testauftrag habe; na ja, ich darf ja auch mal privat speisen.

Irgendwie privat mutete auch ein Besuch im Coda an, dem zweifach besternten Restaurant eines Patissiers, das in Wirklichkeit viel mehr ist als das. René Frank, mit dem zusammen ich in diversen Jury gesessen habe, hatte mich eingeladen – und ich durfte mit ihm zusammen das Menü essen, die passenden Drinks verkosten und auch noch ein Glas Champagner von Elise Bougy zu mir nehmen. Meine Hochachtung vor diesem Experiment wächst immer mehr. Wo anders als in Berlin wäre es machbar? In beengtem Raum, mit hohem Personalaufwand und einem Menüpreis, der für Berlin zwar hoch anmutet, international gesehen aber sehr überschaubar ist.

Das Dessert im Jan: Viel besser geht es nicht.

Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis das Coda den dritten Stern erhält – sofern sich der Guide Michelin traut, die Zahl von zehn respektive elf deutschen Höchstwertungen endlich mal zu überschreiten. Beim Jan klappte es ja auch mit dem dritten Stern. Ende 2023 war ich da, Anfang 2024 noch einmal – und in bedien Fällen bewunderte ich die Souveränität, mit der hier gearbeitet wurde. Hoffentlich bekommt man hier auch ein wenig mehr Konstanz bezüglich der Weinberatung hin.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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