3200 Rand fürs Erlebnis – das ist viel für südafrikanische Verhältnisse. Aber von Jan Hendrik van der Westhuizen hat man schon gehört. Der Koch hat sich nicht nur in Südafrika, sondern auch in Frankreich etabliert, dort einen Michelinstern errungen. (Der andere Südafrikaner, in seinem Falle Wahl-Südafrikaner, der lange einen Michelinstern vorweisen konnte, ist Jürgen Schneider in Gaansbai.)
Klar, dass sein Pop-up in Franschhoek Gäste anzieht. Ich konnte einen der letzten Plätze ergattern, zahlte 3200 Rand für Essen und Wein, was zu den Top-5-Preisen der südafrikanischen Gastronomie zählen dürfte.
Was ich dafür bekomme? Was die anderen 15 Gäste bekommen? Einen exklusiven Zugang zum Manor House von La Motte, einem berühmten Weingut, dessen Produkte freilich nicht mehr an der Spitze der hiesigen Weinszene rangieren. Eine Weile lang beschäftigte La Motte eine Agentur in Deutschland, die mir mal Probeflaschen schickte; inzwischen ist die Agentur nicht mehr zu erreichen.
La-Motte-Schaumwein gibt es gleich, eher knapp eingeschenkt, und Häppchen. Dann der Transfer in einem historischen Bus hinüber zum ebenfalls historischen Schuppen aus dem 18. Jahrhundert. (Es wistar eng im Bus, man kommt sich nah und näher.) Alte Balken und ein Feuer im Kamin warte. Alle Gäste suchen sich Plätze an einem grossen Tisch. Es ist warm und stimmungsvoll, und würde man draußen nicht 28 Grad messen, sondern minus zwei, würde alles passen. Aber wer will kleinlich sein? Zumal die Kellner freundlich sind und Erklärungen zu Speisen und Weinen abgaben. Über den Rosé (zur Forelle mit Kräutern) muss man nicht lange nachdenken, über den Chardonnay auch nicht. Es gibt auf La Motte angeblich auch reife Wein-Spezialitäten, aber die werden an diesem Tag nicht kredenzt.
Der Küchenchef lässt derweil Schneckeneintopf servieren. Schön gemacht, würzig, deftig, mit vielen saftigen Schnecken. Ein Wintergericht par excellence, das zum Feuer passt wie die Faust aufs Auge. Es folgt eine Kombination aus Äpfeln (in eiskalten Röllchen – eine Spezialität der Küche), Muscheln und Tête de Moine. Das ist insgesamt schon etwas frischer als der Schnecken-Einstieg, doch die Küche bekommt die Balance zwischen Käse und restlichen Zutaten nicht hin, der von Natur aus kräftige Tête dominiert.
Dann der Hauptgang. So stelle ich mir Weihnachten in einer Berghütte vor! Dampfende Platten mit geschmorten Lammkeulen werden hereingetragen, dazu Wachtel-Pie, die fruchtig-säuerlichen Kürbisscheiben (gerollt, klar, und leider teilweise gefroren), eine Kartoffel-Croustade mit Püree, eine leicht weihnachtlich-würzige Sauce – alles gut, alles reichlich, alles winterlich. Der Shiraz von La Motte passt.
Zum Käse wird dann eine rote Cuvée aufgemacht, eine Jan-Spezialabfüllung, etwas moderner als der Vorgänger, aber nicht besser. Dem Buffet kann man nichts vorwerfen: gute französische Sorten wie Époisses, gute hiesige wie Dalewood-Weichkäse, ausgezeichnete hausgemachte Condiments. Weil eh schon alle Winter spielen, gibt es auch Glühwein. Er bringe den an den Tisch, sagt der Kellner, aber gebracht wird dann nichts. Man müsste es wohl extra sagen, aber keiner sagt was.
Das Dessert ist nett, eine recht süsse, recht üppig dekorierte Dekonstruktion der klassisch südafrikanischen Pfefferminz-Tarte; der der dazu servierte Wein stammt nicht von La Motte, weil man hier keinen Süsswein produziert, sondern von Boekenhoutskloof. Der 2016er Noble Late Harvest beste Wein des Abends! Danach überraschend gute Pralinen, ein zu süßes Fruchtgelee und ein Kaffee, mit oder ohne Brandy. Ein Westhuizen-Kochbuch bekommt jedes Paar als Give-away, der Bus hinüber zum Manor House wartet schon.
Ob sie wiederkommen wollen, frage ich das südafrikanische Paar, das mir mitsamt Tochter gegenübersitzt. Eher nicht, sagen sie, schwärmen eher von Jordan oder Spek & Bone, drüben in Stellenbosch. Der Skepsis würde ich mich anschliessen. Das Jan-Spektakel ist eher für Gesellschaften gemacht, für Weihnachtsfeiern, für Incentives als für Gäste, die wirklich Gourmandise erleben wollen. Und was die 3200 Rand angeht: Für die könnte ich bei den Schneiders, drüben in Gaansbai, zweimal essen, sechs Gänge mit Wein und allen Schikanen. Und dort hat das Fruchtgelee auch Frische, Säure und Balance. Vielleicht sollte Jan Hendrik van der Westhuizen mal essen gehen beim Michelin-Stern-Kollegen!